Das Hören des aktuellen LernXP Podcasts und die Demo eines Lernzirkelplattform-Anbieters vor einigen Tagen hat ihr mir einige Fragen zum Lernen in Gruppen angestoßen, die ich zusammentragen und weiterverfolgen möchte.
In der Episode „LX028 Praxisbeispiele fürs Teamlernen“ des LernXP-Podcasts teilt Cornelia Hattula im Gespräch mit Matthias Wiencke ihre Erfahrungen und Experimente mit gemeinschaftlichen Formen des Lernens, die – nach meinen Erinnerungen an das Gespräch und wahrscheinlich von mir gerade selbst hinzugedichteten Einschätzungen – u. a. folgendes bewirken könnten:
Was gemeinsames Lernen ermöglichen kann
- Dialog mit Lernpartner:innen zum Lernthema wird ermöglicht und gefördert
- Selbstwirksamkeit entsteht im Dialog mit Lernpartner:innen
- Verschiedene Perspektiven werden sichtbar und integrierbar
- Komplexität eines Themas oder eines ganzen Themenfelds wird ‚besprechbar‘ und ‚bearbeitbar‘
- Die einerseits eigenverantwortliche Strukturierung des Lernprozesses, der andererseits aber notwendige Abgleich und Abstimmung mit den Lernpartner:innen hilft dabei, den notwendigen Fokus zu finden und sozialen Druck als Antrieb mit zu nutzen
- Das Netzwerk und somit die eigenen Lernressourcen werden erweitert
- ‚Sensemaking‘ und damit die Nutzbarmachung eines Komplexes für die eigene Arbeit findet statt
- Erarbeitete Lern-Artefakte kommen der Gruppe oder anderen Lernenden zugute
- Wertvolle/hilfreiche Inhalte verbreiten sich schneller, zielgerichteter und wirksamer
- Mitglieder in einer Organisation finden durch regelmäßige Lernzirkel eine neue Art und Taktung, regelmäßige Lernphasen besser zu integrieren
… und und und … . Zu vielen weiteren Vorteilen, die gemeinsames Lernen mit sich bringt, ist an anderen Stellen mehr als genug geschrieben worden.
In der Episode beschreibt Cornelia viele verschiedene Formate und Experimente, die auf unterschiedliche Arten einige der oben beschrieben Wirkungen erreichen, andere aber auch nicht … u. a. Lerndashboards und -backlogs, Events zum gemeinsamen Lernen oder konzentriertem individuellem Lernen in der Gruppe ähnlich Hackathons, Lernspaziergänge oder Kanäle zum Teilen von Fundstücken und Lerninspirationen.
Interessanterweise haben sich Cornelia und Matthias über einen Buchclub-Podcast kennengelernt, denn Buchclubs würde ich ebenfalls in den Reigen von Formaten zum gemeinsamen Lernen einreihen.
Unterschiedliche Erwartungen an gemeinsames Lernen können zu Enttäuschungen führen
Dazu kam, dass ich vor einigen Tagen die Schnuppersession eines Lernplattformanbieters miterlebt habe, der seinen Ansatz „Diskurslernen“ nennt und die mich ins Grübeln darüber gebracht hat, wie unterschiedlich und teilweise nicht miteinander vereinbar die Vorstellungen, Anforderungen und Ziele von Teamlernen sein können.
Wenn ich z. B. früher einen Working Out Loud Lernzirkel (in der ursprünglichen, offen zugänglichen Phase) mitgestaltet und darüber zwar mein eigenes fachliches Lernziel nicht annähernd erreicht, dafür aber mein Lernnetzwerk belebt und erweitert habe, mich jetzt aber in einen ebenfalls als Lernzirkel bezeichnetem Online-Training mit vorgegebenem Lerninhalt, strenger und nicht beeinflussbarer Zeittaktung und reglementiertem „Dialog“ befinde, dessen sozialer Aspekt sich zwar größtenteils auf das gemeinsame Zusammentragen von Stichworten beschränkt, der dafür aber in kurzer Zeit ein von allen zumindest aufgenommenes fachliches Verständnis zu einem Thema erreicht hat, kann ich mir vorstellen, dass hier ganz unterschiedliche Erwartungen und Perspektiven auf gemeinsames Lernen miteinander kollidieren und zu Enttäuschungen führen können.
Cornelia spricht ebenfalls diese unterschiedlichen Erwartungen an „Teamlernen“ an, wenn Sie den Ansatz von Nele Graf erwähnt, in dem die Teamentwicklung ein bedeutendes Ziel ist. In dem von Cornelia beschriebenen Ansätzen gehe es eher um das Erreichen fachlicher Lernziele.
Die verschiedenen Ansätze richtig benennen und sich über die unterschiedlichen Einsatzzwecke, Ziele und Wirksamkeiten klar werden
Ich stelle fest, dass ich die Begriffe Peer-Lernen, Team-Lernen, Lernzirkel usw nicht sauber voneinander unterscheide und frage mich, ob es sinnvoll wäre, in einer Art Schieberegler-Darstlelung die unterschiedlichen Ziele und Ausprägungen der verschiedenen Ansätze zu visualisieren, um sie darauf aufbauen besser diskutieren zu können?
Hier ein erster (wahrscheinlich noch redundanter und unnötig komplizierter) Entwurf:

Weiterhin schwebt mir vor, die angestrebte Wirksamkeit der einzelnen Formate mit einem Wirksamkeitsindikator zu diskutieren, wie meine Kolleg:innen und ich ihn auch bei den tts Lerndesignkarten einsetzen. Mit dem Wirksamkeitsindikator können wir besprechen, ob die Art des gemeinsamen Lernens z. B. dem gemeinsamen Einüben neuer Handlungsmuster und -möglichkeiten dient oder vielleicht doch eher der Aneignung individuellen Wissens oder der empfehlungsgeleiteten Erweiterung des eigenen Netzwerks.

ToDo: Die Systematik an verschiedenen Formen des gemeinsamen Lernens ausprobieren
Demnächst werde ich versuchen, die oben skizzierte Systematik an folgenden Formen des gemeinsamen Lernens auszuprobieren. Manche sind konkret beschriebene und teilweise auch geschützte Begriffe, andere eher wage Umschreibungen oder Ideen. Ich habe die Auswahl spontan und unsystematisch mit Blick auf Lernen in Unternehmen getroffen. Vielleicht hilft mir das Vorgehen, zu erkennen, was die Systematik taugt und welche Ausprägungen ich ergänzen sollte?
- Working Out Loud (WOL, In der Creative Commons Version 4.5, nicht in der aktuellen, kommerziellen Version)
- lernOS (unterschieden in Core und Toolbox?)
- ALEx (Agile Lernexpedition)
- Lerntandem / Partnertandem
- Learning Out Loud
- LearningCircles by Red42 und Qomenius
- Community of Practice
- Social Learning Spaces
- Connectivist MOOC (cMOOC)
- Persönliches Lernnetzwerk (PLN)
- Literaturzirkel / Buchclub